Sonntag, 3. Dezember 2017

Archäologisches Museum Pforzheim

Wie in „Villa Rustica Enzberg“ beschrieben, sind wir nach dem Besuch des 360° Panorama „ROM 312“ im Gasometer Pforzheim entlang der Enz weiter zum Archäologischen Museum gelaufen.

Archäologisches Museum Pforzheim

Zur Orientierung wieder die Geo-Koordinaten unseres Ziels. Die interessantere Lageinformation bietet aber das zweite hier abgebildete Foto. Ich hatte im „Villa Rustica Enzberg“-Teil dieser dreiteiligen Serie die römische Straße von Ettlingen über Pforzheim und Rutesheim nach Bad Cannstadt erwähnt. Auf dem Foto sieht man den Enz-Übergang dieser Römerstraße und das heutige Museum neben der Römerstraße eingezeichnet. Die Lage des Museums ist deshalb bedeutsam, weil das Museum in Folge archäologischer Grabungen an diesem Ort entstand. Wie auf der Museumswebseite zu lesen ist, wurden die „angetroffenen Baureste, soweit möglich, in ihrem Originalzustand belassen“. Man möge die Webseite nach unten scrollen, den dort unterlegten Link in Anspruch nehmen und sich das Museum mal „im Panorama“ anschauen.

Archäologisches Museum Pforzheim

Neben diesen römischen und mittelalterlichen Orginalgrundmauern sind in diesem Museumsbereich auch Rekonstruktionen zu sehen. Ergänzt von einer größeren Zahl aufgestellter römischer Steindenkmälern, Pforzheim soll eine der größten Sammlungen in Deutschlands besitzen. Neben diesem Bereich gibt es, wie das genannte Panorama ebenfalls zeigt, noch einen klassischen Museumsteil, der über die Geschichte von Pforzheim und der Gegend informiert.

Archäologisches Museum Pforzheim

Ein kleiner Schlenker zum keine 10 Kilometer entfernten Remchingen: dort gibt es ein Römermuseum mit einem überaus regen Leiter Jeff Klotz. Ich habe das vor ein paar Jahren mitbekommen. Noch früher bin ich öfters nahe am zukünftigen Museum bei A8-Umfahrungen ab Pforzheim West vorbeigekommen. Ich hatte mir schon bei regionalen Fahrten Schleifen über Remchingen überlegt oder wollte via einem Museumsbesuch Richtung München auf die A8 fahren. Wenn ich wieder dran gedacht habe, hat es aber gerade nicht gepasst. Über mein Scheitern an möglicherweise recht kleinen Unbequemlichkeiten möge man 10 Sekunden nachdenken und dann einen Blick auf die Anzahl der Ehrenamtlichen auf der verlinkten Museumsseite werfen. Da ticken ja sicher viele ähnlich wie ich und da ist es schon eine gewaltige Nummer, soviele Leute in Bewegung zu versetzen.

Archäologisches Museum Pforzheim

Wir gehen also in das Pforzheimer Archäologische Museum und da begrüßt uns ein junger Mann, stellt sich als der Kurator des Museums vor, drückt uns ein Heft „RMR aktuell Geschichte und Archäologie im Enzkreis“ in die Hand und bietet uns an, uns noch etwas über die Ausstellung zu erzählen. Das wollte ich nach Villa Rustica und Gasometer nicht, da hätte ich kaum noch folgen und mir etwas merken können. Angesichts des jungen Mannes dachte ich aber an den Remchinger Museumsleiter, die können hier doch nicht gleich zwei von dieser Sorte hervorgebracht haben? War tatsächlich nicht der Fall, das war Jeff Klotz, der mittlerweile auch Kurator des Pforzheimer Museums ist.

Archäologisches Museum Pforzheim

Bis wir unsere Runde Ausgrabungsteil hinter uns hatten, war er gegangen. Als wir gingen, habe ich seiner verbliebenen Kollegin im Museum obige Surf-Vorgeschichte kurz erzählt. Sie meinte, Jeff Klotz würde auch Gasometer-Führungen anbieten und manche Leute wollten nur von ihm geführt werden. Außerdem bekamen wir noch ein Programmheft mit dem Titel „Unterwegs mit dem J.S.Klotz Verlagshaus - Kunst und Kulturreisen 2017/2018“ (der Verlag im Web: www.klotz-verlagshaus.de).

Archäologisches Museum Pforzheim

Abschließend noch der Hinweis auf den Bericht von einer Weiterbildung der Limes-Cicerones: „Portus - zwischen Rhein und Limes: Weiterbildung VdLC“. Da ging es geführt von Jeff Klotz vom Remchinger zum Pforzheimer Museum und dann weiter zum Gasometer.

Donnerstag, 23. November 2017

360° Panorama „ROM 312“ im Gasometer Pforzheim

Wie in „Villa Rustica Enzberg“ beschrieben, sind wir von der Villa Rustica auf der B10 weiter zu unserem zweiten Ziel, dem 360° Panorama „ROM 312“ im Gasometer Pforzheim. Wo man von der B10 in Pforzheim das kurze Stück zum Gasometer abfährt, ist ausgeschildert. Ich habe versucht die Geo-Koordinaten vom Eingang des Gasometer-Parkhauses zu nehmen.

Wir sind Mittwochs um die Mittagszeit eingetroffen, da war die Stellfläche kaum belegt. Auf dem Weg zum Eingang des Gasometergeländes ist gerade aus meiner Vogelperspektive eine Freifläche zu sehen. Auf der sind wir zwischen drei Reisebussen durchgelaufen. Zurück waren es glaube ich zwei. Im Gasometer selbst sind wir anscheinend während einer Besuchergruppenlücke gewesen. Eventuell hätte es Probleme bei den Bistro-Plätzen gegeben. Interessant sah dessen Angebot zwar schon aus, aber wir wollten dann gleich weiter zum Archäologischen Museum, um vor Einsetzen des Berufsverkehrs wieder auf die Autobahn zu kommen.

Gasometer Pforzheim

Aktuell startete in Hannover mit „Amazonien“ ein weiteres Panorama Yadegar Asisis. Von seinen fernen Panoramen hatte ich etwas mitbekommen, von dem in Pforzheim nichts. Das hat erst eine mündliche Empfehlung geändert. Die Reisebusse weisen aber auf ein größeres mediales Rad hin, das gedreht wurde. Ich will die Medien- und Marketingarbeit aber auch im Nachhinein nicht nachvollziehen. Mich würden eher O-Töne derjenigen Besucher interessieren, die sich schon eingehender mit der römischen Geschichte beschäftigt haben und schon ein paarmal in Rom waren.

Auf dem Weg in den Gasometer wird man etwas mit dem geschichtlichen Hintergrund bekannt gemacht und kann sich Videos über die Arbeit von Yadegar Asisi ansehen. Um das Panorama zu besichtigen, steht im Gasometer ein via Treppe oder Aufzug ersteigbarer Turm mit mehreren Plattformen bereit. Im hinteren Bereich der Plattformen befinden sich Stühle, mittels denen man sich bequemer in die einzelnen Perspektiven versenken kann, wenn vorne niemand die Sicht verstellt. Das haben wir von ein paar Plätzen aus gemacht. Begleitet von einer zunehmend als nervig empfundenen Soundkulisse, die sich in einem nachgestellten Tag-Nacht-Rhytmus wiederholt hat.

Gasometer Pforzheim

An der Kasse wird ein Audioguide angeboten. Ich weiß nicht, ob man via dem um die Wahrnehmung der Soundkulisse herumkommt und so angenehm eine lange Zeit im Gasometer verbringen kann. Führungen im Gasometer gibt es auch, haben wir dann im Archäologischen Museum mitbekommen. Ich weiss allerdings nicht, ob die mit Mikro und Ohrhörern stattfinden.

Solange die Aliens nicht ihre Rom-Scans von 312 freigeben, muß so ein Panorama zwangsläufig fiktional bleiben. Man kann trotzdem versuchen, möglichst viel auf archäologische und historische Erkenntnisse oder die eigene Anschauung durch Reisen zu bauen, wie das Dr. Frank Stefan Becker gemacht hat. Er hatte ja im „Abend des Adlers“ auf einigen Seiten das durch den Limesfall verlorene Gebiet, in dem Pforzheim liegt, literarisch verarbeitet. Man kann allerdings auch die fiktionalen Elemente überziehen, etwa Neuzeitliches einfügen, und den Betrachter gerade dadurch auf interessante Sachverhalte hinweisen. Brecht legt etwa durch neuzeitliche Formulierungen in seinen in „Fiktionales“ erwähnten „Geschäften des Herrn Julius Caesar“ über die Jahrtausende gleichbleibende Mechanismen bloß.

Gasometer Pforzheim

Ich bin da beim Panorama nicht weitergekommen, ich weiss auch nicht, inwieweit es überhaupt ein Ziel war archäologische und historische Erkenntnisse möglichst akurat rüberzubringen. Vielleicht habe ich mir etwas mehr Realismus in Richtung schmutzige Straßen, Mietskasernen und einen größeren Querschnitt der Bevölkerung erhofft. Das Panorama ist aber sehr Sehenswürdigkeiten-lastig, man kriegt am Eingang einen entsprechenden Flyer mit durchnummerierten Standorten. Viele weiße Gewänder sind mir in Erinnerung und ein häufiges Auftreten von vielleicht Prätorianern in Ausgehuniform. Es gibt neuzeitliche Bezüge, das Panorama steht sozusagen auf im unteren Gasometerbereich gemalten Ruinen. Das sagt uns wohl, daß wir uns über die Ruinen ein Bild vom alten Rom machen. Aber Brecht konnte eine komplexere Vorstellung von der Welt rüberbringen, in der die bekannten Gebäude Roms eingebunden waren.

Anzumerken ist, daß wir beim Aufbau unserer eigenen Rom-Grundlagen steckengeblieben sind. Die Rom-Links habe ich schon auch für uns selbst gesammelt, unsere Rom-Reise schiebt sich aber hin. Insofern wären jetzt die oben erwünschten O-Töne derjenigen Panorama-Besucher zuzuschalten, die sich da besser auskennen. Oder auf den Audioguide und die Führungen hinzuweisen, vielleicht ist da noch einiges herauszuholen.

Gasometer Pforzheim

Abschließend noch eine allgemeine Bemerkung zu Panoramen. Ich habe die mal in einer umfangreicheren Darstellung als ein zwar zeitweise sehr erfolgreiches, aber auch sehr zeitbedingtes Medium kennengelernt. Die Grundzüge dessen, was ich damals mitbekommen habe, stehen in den Wikipedia-Artikeln über Panoramen und über Louis Daguerre. Wichtige Stichworte zu dieser Zeitbedingtheit wären die Ursprünge der Panoramen in der Theatermalerei, die Erfolge, die Louis Daguerre gegenüber den Panoramen mit Dioramen erzielen konnte und der Gedanke, daß Daguerre sich zwecks seiner Dioramen-Malerei mit der dann nach ihm benannten Daguerreotypie beschäftigte. Panorama bedeutet „Allessicht“ oder „Rundumsicht“, Diorama „Durchsicht“. Im Falle der Dioramen ermöglichten die durchsichtigen Leinwände mittels dem Wechsel von Licht, einzeln bedienbarer Jalousien und von Blenden und farbigen Filtern die Illusion eines zeitlichen Ablaufs.

In dem Sinne fand ich die fernen Panoramen jetzt nicht so prickelnd, daß ich wegen ihnen lange fahren wollte. Und wenn ich in diesen Orten aus anderen Gründen gewesen wäre, hätte ich mir dort in begrenzter Zeit lieber noch nie gesehene Orginale angesehen. Im für uns öfters nahen Pforzheim hat es aber ganz gut gepasst, so ein Panorama mal zu besuchen. Ob unsere Vorbereitung so ideal war und ob wir einen Audioguide hätten nehmen und uns mehr Zeit lassen sollen - das kann jeder potentielle Gasometer-Gänger jetzt noch selbst für sich entscheiden. Vermutlich verspricht wie so oft eine sehr kommunikative Lösung den meisten Erfolg - nach einer guten Führung hinterher im Bistro die Eindrücke mit Leuten die sich interessieren und auskennen durchzusprechen, das hätte doch was!

Sonntag, 12. November 2017

Villa Rustica Enzberg

Die heute vom Autobahndreieck Karlsruhe aus dem Rheintal nach Osten wegführende A8-Strecke durchquert ein Jahrtausende altes Durchgangsgebiet. Für diese A8-Strecke gab es für die aus dem Süden kommenden Reisenden einen antiken Vorgänger: eine wenige Kilometer südlich der heutigen Autobahn bei Ettlingen nach Osten abzweigende Römerstraße, die über das Pforzheim nach Bad Cannstatt führte.

Das Gebiet befand sich nicht sehr lange unter römischer Herrschaft. Dennoch erinnert Pforzheim noch mit seinem Namen an diese Zeit. Es hieß damals „Portus“, und dieser Name soll sich außer auf „Hafen“ auch auf „Furt“, „Landeplatz“ und „Zollstation“ zurückführen lassen. Und die Furt durch die Enz gab es hier tatsächlich.

Villa Rustica Enzberg

Die Furt wird im Bereich der Innenstadt von Pforzheim verortet. In der Nähe befindet sich heute das Pforzheimer Archäologische Museum. Ein Stück enzabwärts kommt man, noch in Pforzheim, am Gasometer vorbei, in dem derzeit das 360° Panorama „ROM 312“ zu sehen ist. Etwa 3 km weiter enzabwärts überquert die A8 bei der Anschlußstelle Pforzheim Ost die Enz. Gegenüber dieser Anschlußstelle wieder etwas über 3 km enzabwärts kann man die hier auf den Bildern gezeigten Überreste der Villa Rustica Enzberg besichtigen. Alles auch für Ortsunkundige gut verbindbar mittels der B10, die sich in diesem Bereich immer in Enz-Nähe hält.

Villa Rustica Enzberg

Wir waren hier im September unterwegs. Sind zunächst von der Autobahnabfahrt auf der B10 in Richtung Villa Rustica Enzberg gefahren. Dann in Gegenrichtung auf der B10 zurück nach Pforzheim. Dort sind wir zum kostenlosen Parkhaus-Parkplatz beim Gasometer abgebogen. Haben das 360° Panorama „ROM 312“ besichtigt und sind dann entlang der Enz und an der früheren Furt vorbei zum Pforzheimer Archäologischen Museum gelaufen. Kurzentschlossene Autobahnabfahrer, die die Tour nachmachen wollen, werden durch die auf Mittwoch und Sonntag beschränkten Museumsöffnungszeiten die größten Probleme haben. Wer mit einer Busladung von Interessenten auf der Anfahrt ist, sollte aber vielleicht gleich die Kontaktaufnahme mit dem Museum ins Auge fassen. Ich schreibe im entsprechen Blog-Eintrag noch mehr dazu.

Villa Rustica Enzberg

Über die Villa Rustica Enzberg gibt es sehr ausführliche und informative Texte auf den Informationstafeln vor Ort. Ich will jetzt nicht versuchen die wiedergeben, sondern auf den Historisch-Archäologischen Verein Mühlacker verweisen, der im September 1999 „anlässlich der drohenden Überbauung des gerade freigelegten römischen Gutshofes in Enzberg gegründet wurde“. Ein Link funktioniert auf der Website des Vereins funktioniert nicht mehr so wie gedacht, man kann da mal via Suchmaschine nach der Villa Rustica Enzberg suchen und findet dann zwei Seiten auf muehlacker.de.

Villa Rustica Enzberg

Einen Blick auf die Villa von oben liefert Vici.org. Da sind auch einige weitere in der Nähe liegende Villa Rusticas markiert. Vici.org verlinkt auf das Stadtwiki Pforzheim-Enz, das ich hier ebenfalls für weitere Informationen über die lokalen Römer empfehlen will. Hier noch die Geo-Koordinaten in einer Form, bei der man sich die gewohnte Online-Karte aussuchen kann.

Villa Rustica Enzberg

Wie aus den Informationen im Netz hervorgeht, sind nur Teile der früheren zur Villa gehörenden Gebäudegrundrisse konserviert, der Gesamtkomplex war als noch deutlich beeindruckender. Die Villa Rustica Enzberg war schon sehr mondän und zeigt, was in der relativ kurzen Herrschaftszeit der Römer über dieses Gebiet an Infrastruktur erbaut werden konnte. In dieser Zeit muß die Villa aber schon statische Probleme durch den Berg in ihrem Rücken gehabt haben. Beim Herumlaufen hat sich mir immer mehr die Erinnerung an die Villa Romana del Casale aufgedrängt. Die war natürlich noch wesentlich mondäner als die Villa Rustica Enzberg, ist aber hinsichtlich der Lage mit Berg im Rücken vergleichbar.

Donnerstag, 26. Oktober 2017

Hotzenweg und Hermannsschlachten

Am Montag wurde ich von Hiltibold aus Graz auf zwei Hörsendungen des SWR hingewiesen.

Ich will beide gleich weiterempfehlen. Im einen Fall geht es um eine vermutete prähistorische Wegverbindung zwischen Hochrhein und Donauquellen. Ich weiß nicht wie fundiert die Sache ist. Aber da bei mir alte Römerstraßen und Keltenschanzen ein prominentes Thema sind, rechne ich mit einem entsprechend interessierten Publikum. Vielleicht ist jemand aus der Gegend oder kommt da mal hin.

Die Sendung hat den Titel „Kelten im Schwarzwald: Der Hotzenweg“. Es gibt dazu schon ein Buch und hoffentlich noch ein Projekt von Dr. Roland Weiss. Auf seiner Website finden sich einige Fotos und die Aufforderung „Ortskundig? Kennen Sie selbst entlang der nebenstehend skizzierten Route interessante und rätselhafte Plätze? Das können Steinbauten sein, Geländemarken, Ortsnamen, Höhlen etc. Gerne dürfen Sie mir diese Stellen zeigen. Anruf genügt und wir vereinbaren einen Ortstermin.“

In der zweiten Sendung diskutieren Dr. Rudolf Aßkamp, Dr. Stefan Burmeister und Prof. Dr. Reinhard Wolters eine knappe Dreiviertelstunde lang unter dem Titel „Sieglos an der Elbe: Roms Tragödie in Germanien“ über die von Rom aufgegebene Eroberung Germaniens.

Den Rahmen der Diskussion hat Prof. Dr. Reinhard Wolters schon zu Zeiten des 2000jährigen Jubiläums der Varusniederlage in seinem Buch „Die Schlacht im Teutoburger Wald: Arminius, Varus und das römische Germanien“ gespannt, ich zitiere mal aus meiner damaligen Besprechung:

„Arminius, der Befreier Germaniens — das stammt aus den 'Annalen' des Tacitus, die Tacitus 20 Jahre nach seiner 'Germania' geschrieben hat, wo er einen Befreier Arminius noch nicht erwähnt. Wolters erklärt dies mit der anfänglichen Hoffnung von Tacitus auf eine Wiedereroberung Germaniens, die er zur Zeit der 'Annalen' aufgegeben hatte. Die Schlacht im Teutoburger Wald also nicht als allein entscheidendes Ereignis, sondern als gelungener Einstand, dem weitere Kämpfe gegen Arminius und die Cherusker sowie gegen die anderen beteiligten Stämme folgten, deren Ergebnisse auch lange über den Tod von Arminius hinaus Rom keine Perspektiven mehr für eine Herrschaft über Germanien boten.“

In der sehr interessanten Diskussion geht es um Sichtweisen und Erkenntnisse. Offenbar fehlen derzeit wissenschaftliche Erkenntnisse um sicher festzustellen, ob bestimmte wichtige archäologische Funde von den Legionen des Varus oder denen des Germanicus stammen. Anderseits scheinen sich Sichtweisen zu ändern, etwa daß man sich mittlerweile zeitlich aufeinanderfolgende Belegungen bestimmter Römerlager vorstellen kann.

Interessenten mögen jetzt nicht über meine kryptische Formulierung rätseln, sondern sich die Diskussion anhören und danach den aktuell frei zugänglichen Text von Harff-Peter Schönherr „Pinkeln an die Siegessäule“ in der taz ergoogeln. Den direkten Link lasse ich wieder wegen dem Leistungsschutzrecht für Presseverleger aus. Der taz-Artikel informiert recht hintergründig über Kalkrieser Verhältnisse. Und passt bestens zur SWR-Diskussionssendung, die für diesen speziellen lokalen Aspekt den Hintergrund liefert. Warum die im taz-Artikel erwähnte „Pontes-Longi-Hypothese“ möglich sein kann ist so bspw. bestens zu verstehen.

Als i-Tüpfelchen zum taz-Artikel mag man sich dann noch die heutige Pressemitteilung „Forschungen in Kalkriese - Kooperationsvertrag bis 2029 geschlossen“ ansehen, in der der „Aufsichtsratsvorsitzende der Varusschlacht im Osnabrücker Land“, Landrat Dr. Michael Lübbersmann, mit den Worten zitiert wird: „Seit nunmehr drei Jahrzehnten wird hier nicht nur Geschichte ausgegraben, sondern auch Geschichte geschrieben“.

Nebenbei noch bemerkt: den Titel der Diskussionssendung „Roms Tragödie in Germanien“ finde ich schlecht. Tragisch waren die römischen Unternehmungen sicher für die unzähligen betroffenen Menschen. Rom hingegen konnte den Triumph des Germanicus in diesen Jahren sicher noch gut mit Ausplünderungen anderer Orte finanzieren und dürfte in diesen Kategorien auch funktioniert haben. Und daß man sich vor Jahren so auf den Begriff „Varusschlacht“ eingeschossen hat, finde ich auch nicht so toll. Einerseits soll Varus ja ziemlich spät erst mitbekommen haben, daß er sich in „seiner“ Schlacht befindet. Zigtausende Germanen wußten das schon vor ihm. Anderseits setzt die Bezeichnung den Fokus genau auf diese eine Schlacht, die doch nur der gelungene Einstand zum späteren Ausstand war. Die Frage, wie Arminius mit seinen Gefolgsleuten viele Jahre Widerstand leisten konnte, bleibt außen vor.

Samstag, 21. Oktober 2017

Auf der Keltenschanze Buchendorf mittags um halb eins

Vorgestern mittag war ich um halb eins tatsächlich auf den Wällen der Keltenschanze Buchendorf und wollte das wegen dem gestern noch feststellbaren „aktuell schönen Wetter“ auch schnell rausdrücken. Vielleicht hätte es die eine oder den anderen inspiriert selbst rauszugehen. Aber heute morgen höre ich Regen vor dem Fenster. Nach der Wettervorhersage sieht es wenigstens nur durchwachsen für das Wochenende aus.

Keltenschanze Buchendorf

Ich bin vorgestern wie bei der „Achterlacke und Königseichen im Forstenrieder Park“-Tour über Fürstenried West und die Maxhofstraße angefahren. Dann weiter bis zur Kreuzung mit dem Waldweg auf der Trasse der ehemaligen Römerstraße nahe dem Eichelgarten. Auf dem Waldweg weiter in Richtung Buchendorf und dort via der im gestrigen Blogeintrag beschriebenen „Via Julia“-Streckenführung durch Buchendorf durch bis zum Ortsausgang in Richtung Neuried. Von dort dann via Keltenschanze und Pfad entlang eines Ackers auf den Rückweg.

Keltenschanze Buchendorf

Zum Vergleich mit den Fotos von vorgestern mein Blogeintrag über die Keltenschanze Buchendorf von 2013. Der Schild mit dem Hund fehlt, die schon lange veraltete Infotafel gibt es immer noch.

Keltenschanze Buchendorf

Das Hundeschild vor der Keltenschanze fand ich damals orginell. Allerdings waren dieses Mal während meines kurzen Besuchs im Bereich der Keltenschanze zwei Frauen mit drei Hunden unterwegs, da kann also schon etwas zusammenkommen. Ich habe auch mal bei einem früheren Besuch der Keltenschanze unabsichtlich zwei Frauen aufgescheucht, die vor und in der Schanze im Gras gelegen und gelesen haben. Ein längeres Verweilen an diesem Ort sollte schon berücksichtigt werden. Aktuell war die Keltenschanze frisch gemäht und sah schön gepflegt aus. Beim Fahrradparken vor der Keltenschanze habe ich aber eine unerklärliche Häufung von gebrauchten Papiertaschentüchern gesehen. Scheint da wieder ein Schild notwendig zu werden?

Keltenschanze Buchendorf

Über Keltenschanzen im allgemeinen habe ich in dem oben verlinkten Blogeintrag mehr zusammengetragen. Zur lokalen Keltenschanze kann man mal die Phantasie spielen lassen und die Sache aus der Ponderosa-Perspektive sehen. Also auch mit dem latenten Wasserproblemen mit dem sich die Cartwrights und andere Farmer auseinanderzusetzen hatten. Hier war die Situation goldig. Es ist von der Entfernung her gut vorstellbar, daß Herden von den großen Flächen hier oben zur Tränke hinunter an die Würm geführt wurden. In der Keltenschanze mag dann nicht nur wie bei den Cartwrights eine Familie mit viel Landbesitz gewohnt haben. Sie hat vielleicht auch die weltliche und sakrale Macht über die lokale Bevölkerung gehabt. So eine Unterscheidung wird aber vermutlich in einer eisenzeitlichen Sklavenhaltergesellschaft für die meisten Leute nicht so besonders relevant gewesen sein.

Keltenschanze Buchendorf

Wie in „Römerstraße bei Buchendorf“ geschrieben, führte die römerzeitliche Straße direkt an der Keltenschanze vorbei. Bei dieser Streckenführung ist anzunehmen, daß die Keltenschanze in das spätere römerzeitliche Leben eingebunden war. Ein vergleichbares Beispiel bietet die Perlacher Keltenschanze, neben der sich laut Bayerischem Denkmal-Atlas eine „Siedlung mit Mühlen und Werkplatz der mittleren und späten römischen Kaiserzeit“ befunden haben soll.

Keltenschanze Buchendorf

Keltenschanzen müssen ein vertrautes Phänomen gewesen sein. Wenn auch keines, das von den römerzeitlichen Eliten angestrebt wurde. Ich glaube, man hat römerzeitliche Bauten in Keltenschanzen gefunden, also es gibt archäologisch belegte Nachnutzungen. Aber man fand meines Wissens nach nie eine Villa Rustica im Keltenschanzenstil. Ob man zur Römerzeit überhaupt noch wußte, warum die Kelten einmal die Keltenschanzen über ein großes räumliches Gebiet verteilt weitgehend gleichartig gebaut hatten?

Freitag, 20. Oktober 2017

Römerstraße bei Buchendorf

In Buchendorf war ich schon länger nicht mehr. Das aktuell schöne Wetter lud dazu ein nachzusehen, was sich zwischenzeitlich an der ehemaligen Römerstraße und der Buchendorfer Keltenschanze getan hat.

Römerstraße bei Buchendorf

Den Verlauf der Römerstraße versucht man vielleicht am besten via Bayerischem Denkmal-Atlas nachzuvollziehen. Die Straße kam von Südosten - wenn man sich am heutigen vom Eichelgarten kommenden Weg orientiert kann man da nichts falsch machen. Allerdings bricht dieser Weg kurz vor der Keltenschanze ab. Da gibt es nur einen inoffiziellen Pfad an einem Acker entlang. Die Römerstraße führte früher hin zur Keltenschanze und dort entweder direkt oder ein paar Meter entfernt vorbei - da bietet der Denkmal-Atlas aktuell zwei Alternativrouten an.

Beide Alternativstrecken finden dann wieder am Ortsausgang Buchendorfs in Richtung Neuried auf dem in Bild 1 zu sehenden Feldweg zueinander. Der Feldweg führt weiter nach Gauting.

Römerstraße bei Buchendorf

Es ist wieder der Unterschied zwischen der Römerstraße und dem an der Römerstraße orientierten Radwanderweg „Via Julia“ zu erwähnen. Die Streckenführung der Via Julia weicht manchmal sehr unschön von der alten Römerstraße ab. Im Fall Buchendorf muß sie wegen dem fehlenden offiziellen Zwischenteil zur Keltenschanze auch abweichen, das ist aber zu verschmerzen. Die Streckenführung der Via Julia verläuft durch Buchendorf bis zu der Stelle im Bild und dann auf dem Feldweg weiter. Langstreckenradler mögen sich freuen auch etwas von Buchendorf gesehen zu haben, sie dürfen halt den kurzen Abstecher zur Keltenschanze nicht vergessen.

Römerstraße bei Buchendorf

Von der Stelle am Ortseingang von Buchendorf gibt es ein Foto von 2009 im Blogeintrag „Buchendorf am Vatertag“ . Die wesentliche Veränderung scheint mir die in die Sonne gestellte Sitzbank zu sein.

Samstag, 9. September 2017

Westlicher Römerstraßenaufstieg beim Georgenstein

Dieser Blog-Eintrag gehört zu einer mit „Der Georgensteinblick“ begonnenen kleinen Serie. Die wurde fortgesetzt mit „Georgensteinblick II“. Und in „Allenthalben versunkene Städte“ gibt es auch ein paar Bemerkungen zu diesem engen geografischen Bereich.

Informationstafel: Verlauf der Römerstraße durch die Isarschlucht

Die jetzt verwendeten Fotos sind vom Mai. Ich wollte eigentlich erst noch zusätzliche Fotos vom Bereich unterhalb der ehemaligen Römerstraße machen, daraus wurde aber bislang nichts. Also vermittle ich so mal einen Eindruck, damit es mit der Sache weitergeht. Der 4. Brillenschaftag im Burghof Grünwald steht ja auch am 8. Oktober an und vielleicht will jemand die Gelegenheit nutzen und sich die Römerstraße genauer ansehen.

Westlicher Römerstraßenaufstieg beim Georgenstein
Westlicher Römerstraßenaufstieg beim Georgenstein
Westlicher Römerstraßenaufstieg beim Georgenstein

„Römerstraßenaufstieg“ versus „unterhalb der ehemaligen Römerstraße“, da fehlt also noch was. Der obere Teil des Aufstiegs gilt sowohl nach der abfotografierten Informationstafel als auch dem Bayerischen Denkmal-Atlas als Teil der ehemaligen Römerstraße. Im unteren Teil entspricht die durchgezogene Linie über die Isar auf der Informationstafel aber nicht dem Bayerischen Denkmal-Atlas, der läßt hier eine Lücke. Zudem verwirrte der Bayerische Denkmal-Atlas durch eine „Brücke der römischen Kaiserzeit“ ein Stück flußabwärts (Denkmal D-1-7935-0005). Die Brücke war beim Start meiner kleinen Serie noch vorhanden, mittlerweile sehe ich sie nicht mehr im Bayerischen Denkmal-Atlas eingezeichnet. Aber bei Vici.org kann man sich die Lage der Brücke derzeit noch ansehen. Wenn die Brückenerkenntnis nicht mittlerweile revidiert wurde, wäre es also denkbar, daß die Römerstraße von der östlichen Seite nicht so wie auf der Informationstafel gezeigt direkt herüber über die Isar geführt hat. Die Straße könnte stattdessen zunächst unterhalb der dort befindlichen Römerschanze der Isar bis zu dieser Brücke gefolgt sein.

Westlicher Römerstraßenaufstieg beim Georgenstein
Westlicher Römerstraßenaufstieg beim Georgenstein
Westlicher Römerstraßenaufstieg beim Georgenstein

Geht man diesen oberen Teil der ehemaligen Römerstraße auf der westlichen Isarseite hinunter, dann kommt man schnell auf einen wirklich alt aussehenden Hohlweg. Aber dieser Hohlweg endet ein Stück oberhalb der Isar. Man trifft auf den Isar-nähesten öffentlichen Weg der westlich der Isar parallel zur Isar verläuft. Im Grunde sieht ab hier alles nicht mehr alt sondern überarbeitet aus. Weiter unten befindet sich der Isar-Kanal, für den sicher umfangreiche Erdarbeiten vorgenommen wurden. Den Abzweig vom Isar-Parallelwegs zur Römerstraße zeigen Bild 9 und Bild 10. Der Parallelweg führt dann zwar schnell weiter hinunter bis fast auf Isar-Höhe. Diese Strecke passt auch zur roten Linie auf der Tafel. Aber der Weg ist kein Hohlweg mehr. Also von diesem Augenschein her könnte ab dem überarbeiteten Bereich auch alles anders gewesen und die Römerstraße ein Biegung hin zu der mysteriösen Brücke gemacht haben. Allerdings ergäbe das schon eine recht große Schleife, die aber möglicherweise durch Gründe wie die Talverbreiterung und eine dadurch weniger reißende Isar in Kauf genommen wurde.

Westlicher Römerstraßenaufstieg beim Georgenstein
Westlicher Römerstraßenaufstieg beim Georgenstein
Westlicher Römerstraßenaufstieg beim Georgenstein

Daß der Bayerische Denkmal-Atlas im Kanalbereich keine genaueren Angaben macht, muß nicht bedeuten, daß hier keine archäologischen Erkenntnisse über den Verlauf der Römerstraße gewonnen wurden. Nach meiner Vorstellung ist der Bayerische Denkmal-Atlas nämlich kein Informationssystem in der Art, daß er uns mitteilen will, daß an einem bestimmten Ort irgendwann einmal ein bronzezeitlicher Grabhügel stand. Der Bayerische Denkmalatlas zeigt aktuell vermutete Grabhügel an, so flach die auch mittlerweile sein mögen. Wenn die Fläche aber archäologisch ausgeräumt und überbaut ist, dann verschwindet auch der Grabhügel im Bayerischen Denkmal-Atlas. Nach dieser Logik mag die fehlende Information im Kanalbereich einfach bedeuten, daß niemand mehr glaubt, daß hier noch archäologisch etwas zu holen ist.

Isar-Stauwehr bei Buchenhain/Baierbrunn

Der Einstieg von oben in den Hohlweg wird durch die Informationstafel in Bild 1 markiert. Man kann die Stelle via diesem Link auf einer Karte seiner Wahl ansehen. Im Bereich oberhalb des Isarkanals stößt der Weg wie gesagt auf den westlichen Parallelweg zur Isar. Dort sind zeitweise zahlreich Spaziergänger, Jogger, Wanderer und Radler unterwegs, deren ganz andere Ziele sich gut mit einem kurzen Blick in diesen uralten Hohlweg verbinden ließen.

Freitag, 1. September 2017

Göttinnen-Reihe in SWR2 Wissen

Die Erdställe und Schrazellöcher im letzten Blog-Eintrag scheinen ein ganz motiviertes Publikum zu haben, wenn man nach den angebotenen Interessententreffen geht. Anderseits ist das Thema etwas speziell. Göttinnen dürften vielleicht eher zu einem allgemein angestrebten Bildungskanon passen.

Da ist jüngst eine Göttinnen-Reihe in SWR2 Wissen zuende gegangen. Wer die sechs Stunden intus hat, kann gleich einen Wissenstest erfolgreich bestehen.

Wie lange die Audio-Dateien noch zugreifbar sind, brauchen wir offenbar nicht zu wissen. Den Göttinnen lag möglicherweise mehr an ihren Gläubigen als den Depubliziergöttern an den Gebührenzahlern. Unter dem Arte-Link in meinem letztjährigen Eintrag „Die großen griechischen Mythen bei Arte“ finde ich aktuell nur Ausschnitte. Aber man kann deren Titel zum Suchen verwenden und findet die Videos anderweitig im Netz.

Die Reihe „Mythen - Michael Köhlmeier erzählt Sagen des klassischen Altertums“ wird/wurde häufig im Fernsehen in BR- bzw. jetzt ARD-alpha wiederholt. Zumindest in Bayern sollte Michael Köhlmeier ziemlich bekannt sein. Seine Sendungen sind wie die oben verlinkten von SWR2 Wissen aktuell noch downloadbar. Also man kann sich die Sendungen aufs Tablet laden und ohne WLAN-Verbindung im Bett angucken und hoffen, daß man so nicht via bewußt offen gelassenen Sicherheitslücken zur Sicherheit beobachtet werden kann.

Um jetzt mit Göttinnen und Göttern im Hintergrund noch mal auf die eingangs erwähnten Erdställe und Schrazellöcher zurückzukommen: die bezogen sich ja auf eine „Höhlen und Erdställe“-Ausstellung im Schloss Tollet. Bei Höhlen und Erdställen gäbe es natürlich auch mögliche spirituelle Aspekte. Ein Gedanke wurde in dem verlinkten Gespräch hinsichtlich den über einen großen geografischen Bereich ähnlichen Erdställen geäußert: da müßte es eine Ideenwelt dazu gegeben haben, warum man das so macht, und vermutlich auch reisende Experten, die so etwas graben konnten. Allgemein zu „Höhlen und Erdställen“ habe ich jetzt aber im Gespräch nicht so mitbekommen, wieweit in der Ausstellung die spirituelle Dimension ausgelotet wird.

Samstag, 26. August 2017

„Höhlen und Erdställe“-Ausstellung in Schloss Tollet

Gestern Abend bin ich eine Stunde bei einer Sendung des Freien Radios Freistadt über die Ausstellung „Höhlen und Erdställe-die Erforschung des Unterirdischen“ hängen geblieben. Nach dem Text zur Sendung wird die Ausstellung vom Kulturverein „Kulturama“ veranstaltet. „Der Obmann von Kulturama, Konsulent Ernst Martinek, ist zu Gast bei Otto Ruhsam und erzählt über die Ausstellung aber auch über seinen Bezug zu Freistadt. Die Musik zur Sendung stammt von der Gruppe Bilderbuch.“

Die Ausstellung soll noch bis zum 29. Oktober 2017 zu sehen sein. „Schloss Tollet“ hat mir bis gestern nichts gesagt. Hier die Kulturama-Website mit Angaben zur Anfahrt. Die Ausstellung wäre für München nicht aus der Welt. Ganz interessant mag aber auch die Telefonnummer auf dem Ausstellungsplakat und die Aussage im aufgezeichneten Gespräch sein, daß man hinsichtlich Gruppen von Besuchwilligen sehr flexibel wäre. Die sollen halt anrufen. Also vielleicht tourt jemand mit einer Busladung voll Leuten passend durch die Gegend und braucht noch einen Programmpunkt.

Ich hatte schon früh mal was über Erställe in meinem Blog („Erdstall-Ausstellung in Glentleiten“). Aus dem damaligen Text geht hervor, daß Münchner relativ gut an einen Erdstall hin kämen (via S-Bahn und dann ein paar Minuten hinspazieren). Ob sie da hinein kämen, ist eine andere Frage. Die Links meines jüngsten Eintrags zum Thema Erdställe und Schratzellöcher sollten für diesen Zweck ergiebiger sein. Ich sehe gerade auf www.erdstallforschung.de/Aktuelles.html, daß aufgrund der großen Nachfrage Treffen in verschiedenen Regionen Bayerns angeboten werden. Treffen Ost - Oberbayern, Treffen West - Oberbayern, Treffen Niederbayern - also man möge selbst weitersuchen. Meine alten Links funktionieren da anscheinend noch.

Samstag, 19. August 2017

4. Brillenschaftag am 8.10.2017 im Burghof Grünwald

Am 8. Oktober 2017 soll wieder ein Brillenschaftag in der Burg Grünwald mit „mit Handwerks- und Schmankerlständen“ stattfinden. Das detailliertere Programm bzw. eventuelle Änderungen auf dem Weg hin zum Termin entnehme man bitte der Website der Archäologischen Staatssammlung.

Burg Grünwald

Das in der Grünwalder Burg untergebrachte Burgmuseum Grünwald ist ein Zweigmuseum der Archäologischen Staatssammlung. Vor kurzem bin ich auf dieses Video von münchen.tv gestoßen: „Am Jagdschloss Grünwald mit Prof. Rupert Gebhard“ Prof. Rupert Gebhard ist der Leiter der Archäologischen Staatssammlung. Marion Schieder interviewt ihn knapp 12 Minuten lang bei einem kleinen Spaziergang in die Burg. Das Video wäre eine passende Vorbereitung für einen Besuch der Burg.

Burg Grünwald

Mittwoch, 26. Juli 2017

More Doors (für Rimmelsbach)

Marcellinas „66 Hours in Berlin“ erinnerten mich an den Bericht meines Freundes Ralf von seiner Berlin-Tour. Mit der musikalischen Abweichung, daß er bis dahin das Ramones-Museum noch nicht kannte, aber dafür interessante Erlebnisse bei der Equipment-Beschaffung hatte (sein Berliner Lieferant ist auch aus unserer Gegend). Jedenfalls mußte ich gleich nachsehen, ob es ein neues Werk von Ralf gibt. Und fand „More Doors (für Rimmelsbach)“.

More Doors (für Rimmelsbach) von Ralf Schneider auf Vimeo.

„Rimmelsbach“ bezieht sich auf „Rimmelsbacher Hof“. Das ist eine Gruppe von Häusern auf einer Rodungsinsel im Nordschwarzwald nördlich des Mahlbergs. Um es noch etwas komplizierter zu machen, befindet sich in einem der Häuser, Hausnummer Rimmelsbacher Hof 3, eine Gaststätte, die selbst wieder „Rimmelsbacher Hof“ heißt. Früher war das mit dem Namen einfacher, die Ansiedlung soll 1115 als „Rümlinsbach vicus“ ersterwähnt worden sein.

Die Häusergruppe ist dem Rheintal sehr nahe. Auf dem schnellsten Weg geht aber nicht abwärts hinunter, sondern erst einmal hoch auf einen bewaldeten Geländesattel. Ich habe die Geokoordinaten aus dem Bereich dieses Geländesattels genommen. Der Rimmelsbacher Hof entwässert in Gegenrichtung in das Moosalbtal. Die Moosalb fließt wiederum in die Alb und die Alb fließt erst in den Rhein. Foto 2 mit der Sitzbank im Vordergrund habe ich bei dem durch die Geokoordinaten angegebenen Ort in Richtung Moosalbtal aufgenommen. Für interessierte Wanderer hier noch das Stichwort „Carl Schöpf Hütte“: die befindet sich ein paar Schritte links vom Foto-2-Aufnahmeort.

Rimmelsbacher Hof

Von dieser Stelle auf dem Geländesattel kommt man sehr schnell auf einen Weg, der hinunter in das Rheintal führt. Ich bin da noch nie hinunter, aber zeitweise häufig allein oder mit einem Mitradler hier in der Richtung des Geländesattels durchgekommen. Um dann relativ angenehm, im Wald und am Waldrand entlang, mit erträglichen Steigungen, später zwischen Völkersbach und Freiolsheim durch bis nach Moosbronn zu radeln und dann durch das Moosalbtal wieder zurück zu rollen.

Obwohl mir somit klar war, wie nah man da am Rheintal ist, war ich dann doch von der Vermutung irritiert, daß dieses Gebiet zwischen Moosalbtal und Rheintal über den Rimmelsbacher Hof besiedelt wurde. Denn zum einen liegen dessen Häuser heute abgelegen von der Hauptverkehrsstrecke, zum anderen haben die umliegenden Ansiedlungen wesentlich mehr Einwohner.

Blick vom Waldrand oberhalb des Rimmelsbacher Hofs Richtung Moosalbtal

Ein Blick ins Netz macht die Sache plausibler. Man findet die genannte Ersterwähnung von 1115, die umliegenden Siedlungen sind später erwähnt worden. Es ist auch so, daß direkt unten im Rheintal die Römerstraße verlief, mithin eine uralte Hauptverkehrsstrecke. Vom Gebiet des gleich unten liegenden Sulzbach sind römerzeitliche Funde bekannt. Über die großflächige römerzeitliche Waldnutzung will ich jetzt nicht spekulieren, aber nochmal auf die Entwässerung via Moosalb und Alb und das am Albausgang aus dem Schwarzwald liegende Ettlingen hinweisen. In dem verlinkten Text gibt es ein paar Bemerkungen zur Wassernutzung.

Versucht man statt bis zu den alten Römern nur hundert Jahren zurückzublicken, dann gab es zu dieser Zeit hier oben auf den Rodungsinseln eine Vielzahl von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben mit Hofgrößenordnungen zwischen keinen bis wenigen Kühen. Die Höfe ohne Kuh dann mit Ziege. Gepflügt, die Ernte eingebacht und das Feuerholz im Wald geholt hat man allerdings mit Kühen. Dabei darf man das Mostobst nicht zu vergessen, hier ist eine Mostgegend. Übriggebliebener Most konnte zu Schnaps gebrannt werden.

Blick vom Waldrand oberhalb des Rimmelsbacher Hofs Richtung Mahlberg

Das mit der Landwirtschaft auf Ziegenbasis konnte also nur sehr eingeschränkt funktionieren, wie auch viele Bauerfamilien mit einer oder wenigen Kühen sehr häufig auf weitere Erwerbsmöglichkeiten angewiesen waren. In Ettlingen gab es schon Fabriken, und eine meiner Großmütter ist vor der Ehe zur Arbeit in die Ettlinger Spinnerei marschiert. Man versteht in so einem Zusammenhang, welche Bedeutung die Entfernungen zu den Märkten oder zum Arbeitsplatz hatten. Carsten Wasow hat diese Problematik in seiner Beschreibung von den Ursprüngen der „Kraftpostlinie (Karlsruhe -) Ettlingen - Völkersbach (- Bernbach)“ sehr gut rübergebracht.

Zurück zu den kleinen Landwirtschaftsbetrieben: mein Vater hat mir von Anspanngemeinschaften erzählt, bei denen sich jeweils zwei Familien mit nur einer Kuh zusammengetan haben - und sich dann manchmal gestritten haben, wessen vom Regen bedrohtes Heu zuerst eingefahren wird. Ein interessantes Geschäftsmodell soll denjenigen ohne Kuh von „Viehjuden“ angeboten worden sein: eine dürre Kuh wurde leihweise in den Stall gestellt und mußte im Gegenzug für ihre Dienste auf ein besseres Verkaufsgewicht gefüttert werden. Nach Websuche war Viehjude so ein etablierter Begriff, daß teilweise auch nichtjüdische Viehändler so bezeichnet wurden. Näheres dazu im pdf „Weg und Schicksal der Viehjuden von Esslingen, Cannstatt und Winnenden“

Hinweisschilder oberhalb des Rimmelsbacher Hofs

Zurück auch zum Rimmelsbacher Hof: ich bin mit meinem bayerischen Schatzi das Tal entlang bis hoch zu dieser Sattelfläche spazieren gegangen. Ich kenne mich da natürlich voll aus und ignoriere Hinweisschilder. Schatzi fotografiert die häufig und entdeckt eine „Scheuerklamm“. Ich bin wie gesagt da noch nie runter, ich hatte den Namen noch nie gehört. Ich habe dann meinen Vater nach der Scheuerklamm gefragt. Der meinte, da wären vor dem Krieg viele aus den Dörfern hinunter und dann weiter nach Malsch, weil die jüdischen Händler in Malsch manchmal günstiger als die Ettlinger Händler waren.

Sucht man im Netz, findet man auf den Websites der Alemannia Judaica und der Heimatfreunde Malsch umfangreiche Informationen über das frühere jüdische Leben in Malsch. Die weiterführenden Schulen sind in Ettlingen und ich bin dort mit Schulkameraden aus Malsch und Ettlingen in einer Klasse gewesen und wir haben trotz jeder Menge Drittes Reich im Unterricht nie etwas über die Juden in Malsch gehört.

Abschließend noch die Buchempfehlung „Bischweiler oder Der große Lebold. Jüdische Komödie“ von Claude Vigée in 2 Bänden. Bischweiler/Bischwiller liegt geschätzt etwa 30 km Luftlinie von Malsch entfernt im Elsass. Ich habe den ersten Band zu zwei Dritteln gelesen. Ich wollte ursprünglich erst etwas zu diesem Durchgang beim Rimmelsbacher Hof schreiben, wenn ich beide Bände gelesen habe. Aber das wird noch dauern. Das liegt an mir, das Buch ist eine Perle. Ich habe das Schreiben jetzt wegen den „More Doors“ von Ralf vorgezogen. Das ist sowohl vom Textumfang als auch von dem mittlerweile festgestellten Umstand her vernünftiger, daß in dem Buch bislang die Juden auf der anderen Rheinseite keine Rolle spielen. Das Leben der elsässischen und der badischen Juden scheint sich durch die Rheingrenze getrennt entwickelt zu haben.

Montag, 26. Juni 2017

Pfahlbaumuseum Unteruhldingen

Letztes Jahr im Mai wurde ich mit einem Sehnenschaden bei meinen Eltern geparkt und das allerbeste Schatzi von allen fuhr allein mit der Bahn von Karlsruhe zum Bodensee weiter. Dort hat sie mit einer Freundin das Pfahlbaumuseum Unteruhldingen besucht und die beigefügten Fotos gemacht. In die Pfahlbauten geht es gruppenweise mit einem Führer. Der sei zwar nett gewesen und hätte auch mal auf eine gute Fotoperspektive aus einem Pfahlbau heraus hingewiesen, wollte aber für die Veröffentlichung im Blog keine Innenaufnahmen erlauben.

Pfahlbaumuseum Unteruhldingen

Ich war vor etwas über 25 Jahren im Pfahlbaumuseum, das war auch mit Führung. Ich glaube, wir haben damals auf den Stegen auf die Führung gewartet. Mittlerweile wartet man in einem Raum mit Ausstellungsstücken, bevor es mit einer zehnminütige medialen Einführung inklusive einem „virtuellen Tauchgang mit 360 Grad Panorama“ losgeht. Danach werden die Pfahlbauten besichtigt, manche Häuser müssen dabei aufgeschlossen werden, die anderen Bereiche können nach Abschluß der Führung alleine noch einmal angesehen werden.

Pfahlbaumuseum Unteruhldingen

Das Pfahlbaumuseum hat eine glänzende Stellung unter den Museen. Die Wikipedia gibt eine Besucherzahl von knapp 300000 pro Jahr an. Für das eine knappe Autostunde von Unteruhldingen entfernte Freilichtmuseum Heuneburg habe ich dagegen die Zahl von nur 25000 Besuchern für 2014 gefunden. Dieses viel größere Besucherinteresse läßt sich sicher zu einem Teil auf die günstigere Lage Unteruhldingens in einem Urlaubsgebiet ersten Ranges zurückführen. Zwischen Ausflugszielen wie der Basilika Birnau und der Meersburg und gegenüber Zielen wie der Insel Mainau und Konstanz.

Pfahlbaumuseum Unteruhldingen

Aber um als Museum solche Zahlen zu bewegen, muß man dennoch irgendwie in die Köpfe dieser vielen Menschen kommen. Heute ist Unteruhldingen unter den vielen Museumsalternativen einfach da, ohne auf Schlagzeilen angewiesen zu sein. Speziell wenn es um Pfahlbauten geht, fällt einem vermutlich am ehesten Unteruhldingen ein. Eine Erklärung dafür mag der frühe Eröffnungszeitpunkt 1922 bieten, der früh von dem damaligen „neuen Medium“ Film begleitet wurde. Es sollen schon in 1920er Jahren Spielfilme in Unteruhldingen entstanden sein. Ich würde zusätzlich auf Filmberichte in den Wochenschauen tippen, mit denen die Generation meiner Eltern in den folgenden Jahrzehnten flächendeckend erfasst wurde. Da gab es sicher neben viel Licht auch viel Schatten, siehe die Bemerkungen zum Nationalsozialismus in meinen letzten Abschnitten. Jedenfalls, bis ich dann geboren wurde und in die Schule kam, kannten „alle“ das Pfahlbaumuseum, das Museum war bei der Elterngeneration präsent.

Pfahlbaumuseum Unteruhldingen

Ein kleiner Schlenker zur eingangs erwähnten Bahn, mittels der der Bodensee in der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts den Einwohnern der Anliegerstaaten deutlich näher rückte. Ab da ging für viele ein Tagesausflug an den Bodensee. Ich bin mal anlässlich des Wandertags mit meiner Schulklasse von Karlsruhe via der äußerst interessanten Schwarzwaldbahn-Strecke nach St. Georgen gefahren, bis zum Bodensee fehlt da nicht mehr viel. Mit diesem Zeitvorteil - Stunden gegen Tagesreisen - waren die neuen Bahnverbindungen natürlich eine „disruptive Technologie“. Die österreichische Bahnverbindung nach Bregenz soll durch billiger produzierbares Getreide aus Ungarn den bis dahin prosperierenden Getreideexport aus Oberschwaben und dem Allgäu in die Schweiz beendet haben.

Pfahlbaumuseum Unteruhldingen

Jedenfalls ist das Pfahlbaumuseum Unteruhldingen irgendwann in eine nahezu alternativlose Stellung hinsichtlich der „grauen Vorzeit“ gerutscht. Der Bodensee mit den Pfahlbauten war vielen präsent, man konnte Pfahlbauten ja auch bestens in Erinnerung behalten. Das dürfte dann auch oft so verkürzt hängen geblieben sein, daß es einmal in der grauen Vorzeit EINE Pfahlbaukultur gab und Pfahlbaudörfer damals allgemein die bevorzugte Siedlungsform waren. Richtig ist hingegen nach heutigem Stand, daß Pfahlbauten eine Reaktion auf regionale Besonderheiten waren. Als Begründung für den Pfahlbau wird derzeit auf „Wasserstandsschwankungen in Abhängigkeit vom jährlichen Wasserzufluss“ verwiesen. Und es gab nicht eine Pfahlbaukultur, sondern unterschiedliche Pfahlbaukulturen zu unterschiedlichen Zeiten.

Pfahlbaumuseum Unteruhldingen

Nach den häufigsten Fragen der Besucher des Pfahlbaumuseums sind Pfahlbauten eine Wohnform der Jungsteinzeit und Bronzezeit. Man unterscheidet bei den Pfahlbauern über einen langen Zeitraum sowohl zeitgleiche als auch nacheinander lebende Kulturgruppen. Deren aufgefundene Siedlungen streuen über ein überraschend großes Gebiet um die Alpen herum, wie man der Karte in der Broschüre „UNESCO-Welterbe Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen in Baden-Württemberg und Bayern“ entnehmen kann. Nach dieser Broschüre sind mehr als 30 archäologische Kulturgruppen in den Pfahlbauten nachweisbar.

Pfahlbaumuseum Unteruhldingen

Die verschiedenen Kulturgruppen lieferten die Vorlagen für unterschiedliche Pfahlbaurekonstruktionen des Unteruhldinger Museums. In der Führung wird sowohl auf diese große Zeitspanne zwischen den Kulturgruppen als auch auf die verschiedenen Aspekte ihres Pfahlbauerlebens eingegangen. Die Fischfang ist klar, aber man geht auch von einer landwirtschaftlichen Nutzung der Flächen am Bodensee und von einem regen Handel aus.

Pfahlbaumuseum Unteruhldingen

Obwohl Pfahlbaukulturen ein regionales Phänomen waren, sind deren Fundstätten dennoch enorm wichtig um Erkenntnisse über die damalige Zeit zu gewinnen, weil die Hinterlassenschaften der Pfahlbaukulturen verglichen mit anderen zeitgleichen Kulturen wesentlich besser und umfangreicher erhalten sind. Ich zitiere mal aus meinem Bericht von der Jungsteinzeitausstellung in Karlsruhe. Bei der stand mit der Michelsberger Kultur keine Pfahlbauerkultur im Vordergrund, man hat aber dennoch einen Ausstellungsteil mit Hinterlassenschaften der Pfahlbauer bestückt: „Wie schon oben gesagt, haben die Feuchtbodensiedlungen den Vorteil, daß mehr erhalten bleibt. Der folgende Ausstellungsteil wäre also verallgemeinernd zu sehen - so oder so ähnlich kann es auch bei den anderen Jungsteinzeitlern ausgesehen haben: ein Nachbau einer Hauswand auf Basis von am Bodensee gefundenen Lehmresten mit weißer Bemalung und Lehmbrüsten aus der älteren Pfyner Kultur zeigt, daß die Leute nicht mit kahlen Wänden gelebt haben. Mit den Funden kann man auf Bastkleidung und Flechtschuhe und Schmuck aus Bären- Eber- und Hundezähnen rückschließen. Es gibt Sichelklingen, Schaber, Messer, einen Furchenstock, Beilholme, Hacken, Steinbeile und Beispiele für die vielseitige Verwendbarkeit von Hirschgeweih und Birkenrinde zu sehen.“

Pfahlbaumuseum Unteruhldingen

Bastkleidung, Sichelklingen und Schmuck aus Bären- Eber- und Hundezähnen ist jetzt nicht viel, aber man kann sich ein wenig eine Vorstellung von dem damaligen Leben machen. In diesem Fall durch den Blick auf zeitgleiche jungsteinzeitliche Pfahlbaukulturgruppen. Darüber hinaus hat man über zeitlich aufeinander folgenden Pfahlbauern die Möglichkeit Entwicklungen nachzuvollziehen. Wann wurde eine bestimmte Technologie zuerst eingesetzt, wann wurde aus einem bestimmten tierischen Material immer weniger Werkzeug angefertigt? In diesen Zusammenhängen muß man die enorme Schutzwürdigkeit der Fundstätten sehen. Und natürlich auch den Gehalt dessen, was man von einem Besuch des Pfahlbaumuseums in Unteruhldingen mitnehmen kann.

Pfahlbaumuseum Unteruhldingen

1922 eröffnet, gab es eine lange Zeit im Nationalsozialismus. Überraschen wird vielleicht, wie sich manches bis weit in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hineingezogen hat. In einem Vortrag habe ich es mal vor ein einigen Jahren so gehört, daß sich viele Personen innerhalb der Archäologie ganz gut mit dem Nationalsozialismus arrangiert hätten. Nach dem Krieg haben diese Personen dann weiter Karriere gemacht, aber Hans Reinerth, der Leiter des Pfahlbaumuseums nach dem Krieg, sei verpönt gewesen. Und mit ihm erst auch mal die Experimentelle Archäologie. Liest man den verlinkten Wikipedia-Eintrag zu Hans Reinerth, wird das noch bizarrer: „Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Reinerth Direktor des Pfahlbaumuseums Unteruhldingen, das lange Zeit ein sehr konservatives Bild der Vorgeschichte vermittelte. Er war einer der wenigen nationalsozialistisch belasteten Archäologen, die in der Nachkriegszeit ihre Karriere nicht fortsetzen konnten. 1949 wurde er von Kollegen, unter ihnen mehrere ehemalige SS-Mitglieder wie der ehemalige SS-Obersturmbannführer Herbert Jankuhn, später Professor für Ur- und Frühgeschichte in Göttingen, bei einer Zusammenkunft in Regensburg wegen „unsachlicher und tendenziöser Wissenschaft der Prähistorie“ in einer Resolution aus der Wissenschaftsgemeinde der Ur- und Frühgeschichtler ausgeschlossen“. Zusammen mit der Wikipedia-Vermutung über den NSDAP-Ausschluss von Reinerth im Februar 1945 („Der wirkliche Grund wird der Kompetenzstreit zwischen dem Amt Rosenberg und der SS-Organisation Ahnenerbe gewesen sein, da Reinerth zum Amt Rosenberg gehörte.“) drängt sich der Gedanke auf, daß das Amt Rosenberg und die SS-Organisation Ahnenerbe ihre Auseinandersetzung auch noch nach dem Krieg fortgesetzt hatten.

Pfahlbaumuseum Unteruhldingen

Wer sich vertiefen möchte, mag auf der Website des Museums weiter herumstöbern. Hier gibt es einige interessante und frei zugreifbaren Texte des Museumdirektors Prof. Dr. Gunter Schöbel. Ich picke jetzt mal die „Geschichte aus dem Papierkorb - zu einem ungewöhnlichen Bilderfund“ mit interessanten Details über die Untersuchung des Großgrabhügel Hohmichele heraus. Über die Zusammenhänge von Hans Reinerth und der Experimentellen Archäologie mit dem „Germanengehöft“, einem Vorläufer des heutigen Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen, mag das Buch „Zurück zu unserem Cheruskerhof!“ von Sylvia Crumbach Auskunft geben. Hier der Link zu einer Besprechung des Buchs.