Freitag, 15. Juli 2016

Bernstorf

Bei Bernstorf, Teil der Gemeinde Kranzberg, in der Nähe von Freising, wurde eine große bronzezeitliche Befestigung nachgewiesen. Daß sich hier eine Befestigung befand, wurde schon 1904 entdeckt, dennoch wurde später ein großer Teil des Geländes durch Kiesabbau zerstört. Zur großen bronzezeitlichen Befestigung erhoffte man sich in den Ausgrabungen auch eine große bronzezeitliche Siedlung, die sich aber bislang nicht nachweisen ließ. Unter Fälschungsverdacht stehen die einzigartigen Gold- und Bernsteinfunde, die auf dem Gelände gemacht wurden. In ihrer Einzigartigkeit würden sie Aussagen über die damalige Kultur und über deren Verbindungen erlauben, für die es bislang keine andere vergleichbare Grundlage gibt.

Illustriert wurde dies in der schon mehrfach im Fernsehen gezeigten zweiteilige Terra-X-Dokumentationsreihe „Die Bernsteinstraße“. Basierend auf den Fundstücken von Bernstorf finden sich auf der ZDF-Webseite zu dieser Dokumentationsreihe Sätze wie: „Bernstorf nördlich von München war einer der Knotenpunkte auf der Bernsteinstraße. Hier fand ein Hobbyarchäologe Gold aus Ägypten und Bernstein von der Ostseeküste.“ Oder über das Bernstorfer „Bernsteingesicht“: „Der Bernstein zeigt das Antlitz der berühmten, in Mykene gefundenen, sogenannten "Goldmaske des Agamemnon" “.

Aber an der bronzezeitlichen Bearbeitung von Gold und Bernstein bestehen große Zweifel. Die Gründe wurden schon früher mehrfach dargelegt, siehe dazu mein Eintrag „Bernstorf: Fälschungsverdacht besteht weiter“ vom letzten Dezember. Der darin verlinkte, relativ ausführliche BR-Beitrag ist noch zugreifbar. Gestern gab es einen neuen, etwa fünfminütige Film zum Thema, dieses Mal im Rahmen des BR-Magazins Quer: „Schatz oder Schummelei? Streit um Goldfund in Kranzberg“. Die Schummelei steht hier stärker im Raum als in einer zweiminütigen Sendung vom 29. April 2016, in dem Rüdiger Krause länger zu Wort kommt und auch den Gedanken an Bernstorf als mögliches bronzezeitliches Bindeglied im Bernsteinhandel zwischen Ostsee und Mittelmeer erwähnen kann: „Der Krimi geht weiter. Bronzezeit-Schatz von Bernstorf“

Wie schon in dem BR-Fernsehbeitrag vom letzten Dezember angesprochen, sind weitere Untersuchungen von Gold und Bernstein in Auftrag gegeben worden, deren Ergebnisse erst im Rahmen einer Publikation von Prof. Rüdiger Krause und Prof. Rupert Gebhard „voraussichtlich Ende 2016“ veröffentlicht werden sollen (siehe dazu auch meinen Eintrag vom Januar). Diese verzögerte Herausgabe der Ergebnisse ist natürlich nicht so toll für die wissenschaftliche Diskussion. Die interessierte Bevölkerung wird sich kaum adäquat informiert fühlen. Und schließlich geht es auch um viel Geld, das für den Ankauf der Funde ausgegeben wurde.

Das wirkt alles nicht so gut. Im Mai lieferten Süddeutsche Zeitung und Merkur dazu wenigstens einen passenden Hintergrund: offenbar aufgrund einer Aussage von Rüdiger Krause über die Goldprüfungsergebnisse titelte die Süddeutsche am 8. Mai 2016 „Echtheit der Bernstorf-Funde bewiesen“, der Merkur am 13.5.2016 „Nach 18 Jahren steht es fest: Bernstorfer Goldschatz ist echt“. Dem folgte am 17. Mai 2016 ein kurzer Bericht der Süddeutschen über einen in der Zeitschrift „Archäologie in Deutschland“ erschienenen Artikel von Prof. Ernst Pernicka, in dem Ernst Pernicka seine weiterhin bestehenden Zweifel am Gold darlegt und ein „in wissenschaftlichen Kreisen äußerst ungewöhnliches Vorgehen“ beklagt, wenn die Ergebnisse der Goldprüfung weder den Beteiligten noch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Und der Merkur ruderte am 26.5. mit dem Titel „Goldschatz von Bernstorf: Die Zweifel hören nicht auf“ ebenfalls unter Berufung auf den Pernicka-Artikel zurück.