Freitag, 20. Juni 2014

Besuch bei Klenze & Co.

Wer die Möglichkeit hat, sollte einmal den Alten Südfriedhof in München besuchen. Die Grabsteine erlauben einen Blick weit zurück in das 19. Jahrhundert. Ein Schnappschuss der Geschichte. Nach dieser Zeit wären sicher viele der Grabsteine durch die Friedhofsordnungen verboten gewesen. Und zuvor soll es nach dem oben unterlegten Wikipedia-Artikel auf den Friedhöfen wesentlich spartanischer zugegangen sein. Die Wikipedia zitiert in dem Zusammenhang Carl A. Regnet: „Und als Franz Schwanthaler, der Vater des berühmten Ludwig Schwanthaler, es wagte, eine marmorne Frauengestalt auf einem Grabe aufzustellen, schlugen fromme Eiferer, darin eine Entweihung des geweihten Ortes erblickend, sein Werk in Trümmer! Aber die Bahn war gleichwohl glücklich gebrochen.“

Alter Münchner Südfriedhof

Im Wikipedia-Artikel gibt es eine Liste mit „Gräbern bekannter Persönlichkeiten“ auf dem Alten Südfriedhof. Einige der Persönlichkeiten wurden im Blog schon genannt oder sind über ihre Bauwerke vertreten. Ludwig von Schwanthaler mit der Bavaria und dem Holzbildhauer im Giebelfeld der Münchner Glyptothek. Die zum Giebelfeld ebenfalls erwähnten Ernst Mayer und Johannes Leeb sind auch auf der Wikipedia-Liste enthalten, aber ohne Ortsangabe. Leo von Klenze ist wieder leicht zu finden, der liegt in einer Reihe mit Friedrich von Gärtner und Schwanthaler. Im Blog ist Friedrich von Gärtner durch die Bayerische Staatsbibliothek mit den vier Heiligen Drei Königen sowie mit der von ihm begonnenen Kelheimer Berfreiungshalle vertreten.

Grab von Friedrich von Gärtner auf dem Alten Münchner Südfriedhof

Carl Spitzweg (Grabstein auf Bild 9) hatte ich glaube ich nie im Blog erwähnt. Wir haben mal an einer Volkshochschul-Führung durch Spitzwegs München teilenommen und sind dabei auf große ehemals durch Klöster belegte Flächen hingewiesen worden. Nach der Wikipedia galt die Stadt München „auf Grund ihrer vielen Sakralbauten sowie der hohen Zahl an Geistlichen und Ordensleuten im 16. und 17. Jahrhundert als 'deutsches Rom'. Mit der durch Graf von Montgelas ab 1803 durchgeführten Säkularisation fand das reiche Ordensleben in München sein vorläufiges Ende.“ Diese prominente Rolle der Klöster hat mich das Palermo im „Leopard“ bzw. „Gattopardo“ von Giuseppe Tomasi di Lampedusa erinnert. In dem Buch standen Adel und Klerus noch 1860 eng zusammen.

Alter Münchner Südfriedhof

Mit Veränderungen im 17. Jahrhundert beschäftigt sich bis zum 13. Juli 2014 in Karlsruhe die Ausstellung „Mapping Spaces. Netzwerke des Wissens in der Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts“. Es geht um „den Einfluss frühneuzeitlicher Handbücher zur Geographie, der Vermessungskunde und dem Festungsbau auf die niederländische Malerei um 1650. Den Auftakt des an der Universität Trier entwickelten Projektes bilden die großformatigen Kriegspanoramen Pieter Snayers, in denen Karten und Landschaftsbilder übereinander projiziert werden, um die neuesten Errungenschaften des modernen Ingenieurwesens, der Ballistik und des Festungsbaus zu dokumentieren.“

Grab von Leo von Klenze auf dem Alten Münchner Südfriedhof

In der Ausstellung ist es beeindruckend zu sehen, was man an Geräten und „frühneuzeitlichen Handbüchern“ in sehr hoher Qualität schon zur Verfügung hatte. Der Zweck Ballistik und Festungsbau wird für beste finanzielle Voraussetzungen gesorgt haben. Interessant ist der oben postulierte Einfluss auf die Malerei. Irgendwie müssen die Maler ihren Aufwand für die neuen Landschaftsbilder refinanzieren gekonnt haben. Das ist nicht zwangsläufig so. Speziell mit dem Geld von anderen könnte ich mir locker vorstellen, daß man erst einmal in den sicheren Bahnen bleibt und die neuen Landschaftsbilder übel findet.

Wie kam es hier dazu, daß sich so ein gebietsübergreifendes Netzwerk etablieren konnte? Vielleicht weil die Herrscher direkt betroffen waren und ihre neuen Bauwerke adäquat repräsentiert haben wollten? Ich habe in der Ausstellung nicht aufgepasst. Ich habe mich wieder mit Freund Wintersonne getroffen und irgendwie sind wir zusehr ins Quatschen gekommen. Natürlich ohne zu stören am Rande der Ausstellung mit Blick in den Lichthof. Später haben wir dann das Doppelte des gesparten Eintritts für Bier und belegte Brötchen an der ZetKaeM-Bar ausgegeben. Wir waren Freitagsnachmittags im ZKM, ab 14 Uhr ist da der Eintritt frei.

Grab von Ludwig von Schwanthaler auf dem Alten Münchner Südfriedhof

Daß je nach Museum Leute mit Presseausweis kostenlos in das Museum dürfen, ohne dann einen Bericht darüber schreiben zu müssen, während Blogger nicht kostenlos hinein dürfen, darüber habe ich ja schon gemeckert. Siehe auch den Kommentar von Stephan zu meinem Open Access-Eintrag. Wobei die Stuttgarter vielleicht sogar sparsam waren, ich hatte auch schon von freiem Eintritt für zwei Personen gehört. Auf der anderen Seite scheinen viele Museumspresseleute auch unverdrossen auf ihre Presseverteiler zu bauen, auch wenn sie für klassische Medien eher ungeeignete Produkte wie Museums-Apps oder Videos promoten sollen. Das trotz der kurzen Halbwertszeit dieser Produkte, da kann man fast schon das Geld davonrieseln hören. Ich habe mich daran gewöhnt, daß mir da niemand ne Mail schickt. Daß es ausgewiesene Museumsleute genauso trifft, siehe „Apps im Museum: Staatliche Antikensammlungen München“, hat mich dann doch überrascht.

Alter Münchner Südfriedhof

Mir scheint, da gibt es einen ganz guten Satz von Jeff Jarvis von 2009: „Owning pipelines, people, products, or even intellectual property is no longer the key to success. Openness is.“. Der Satz wurde in einem aktuell noch laufenden Online-Kurs mit dem Titel „Understanding Media by Understanding Google“ zitiert. Die Openness ist klar. Früher verborgen gehaltene Ungleichgewichte können nicht mehr verborgen gehalten werden. Alle, die das mitbekommen, fragen sich dann, was diese kostenlosen Eintritte für bestimmte Gruppen eigentlich bezwecken. Wenn schon bestimmte Gruppen umsonst reindürfen, warum gerade Presseausweisinhaber und nicht stattdessen Pflegekräfte? Für die Pflegekräfte wäre vermutlich wesentlich mehr öffentliche Akzeptanz da. Also es müßte eigentlich die Tendenz dahin gehen, daß man entweder solche Ungleichgewichte öffentlich begründen kann oder sie bleiben lässt.

Grab von Carl Spitzweg auf dem Alten Münchner Südfriedhof

„Owning pipelines, people“ - wieviel Aufwand ist dafür rechtfertigbar, wenn man über die Pipelines, People wichtige Inhalte nicht mehr vermitteln kann oder über diesen Weg wesentliche Zielgruppen nicht mehr erreicht? „Owning intellectual property“ - man könnte jetzt mal eine Liste von Videos machen, die nur vor Ort als Museumsattraktion zu sehen sind. Es gibt Fotobestände und 3D-Scans, die wahrscheinlich schon irgendwann freigegeben werden, aber erst wenn sich niemand mehr dafür interessiert. Oder es gibt Verbote zu fotografieren oder im Museum gemachte Fotos zu veröffentlichen. Das alles könnte man stattdessen auch andersherum sehen und sich überlegen, auf welche Rechte man verzichten kann, um möglichst viel Unterstützung für eine große Verbreitung von Videos, Fotos und Scans zu bekommen, damit die Leute dadurch für einen Besuch der Orginale interessiert werden.

Alter Münchner Südfriedhof

Ich habe nur die Videos der ersten Kurswochen von „Understanding Media by Understanding Google“ angesehen. Es gibt zu viele Leseempfehlungen und einige Schreibaufgaben und das will ich lieber den Profis überlassen. Für professionelle Öffentlichkeitsarbeiter halte ich den Kurs schon für sehr sinnvoll, obwohl kaum zu erwarten ist, daß das „Understanding Media“-Versprechen so umfassend erfüllt werden kann - Google deckt ja auch nicht alles ab.