Sonntag, 20. Dezember 2009

Kurzbesuch des Oppidums Heidengraben

Der Begriff „Oppidum“ wird auf Cäsar zurückgeführt, der so in seiner Beschreibung des „Gallischen Kriegs“ die befestigten Städte seiner Gegner bezeichnet hat. Wie bei einer eng innerhalb der Mauern bebauten mittelalterlichen Stadt darf man sich das den süddeutschen Oppida nicht vorstellen. Beim ausgiebig untersuchten Oppidum Manching war offenbar viel mehr Raum durch Mauern und Wälle gesichert als für die Siedlung benötigt wurde.

Grabhügel am Burrenhof

Und im nahe Rothenburg gelegenen Oppidum Finsterlohr hat man innerhalb der großen Verteidigungsanlage anscheinend noch überhaupt keine nennenswerte Siedlung gefunden. Das legt den Gedanken besonders nahe, daß die Sicherungsfunktion für das ganze Umland gedacht war, deren Bevölkerung inklusive Haustieren bei Gefahr in das Oppidum flüchten konnte.

Das Oppidum Heidengraben stellt hinsichtlich der Größe des gesicherten Gebietes ein Extrem dar. Dr. Thomas Knopf von der Universität Tübingen gibt in dem im letzten Eintrag besprochenen Buch „Archäologie erleben“ für den Heidengraben 1700 ha an. Dank der halbinselartigen Lage am Rande der Schwäbischen Alb mit steil abfallenden Hängen mußten dafür nur Teilabschnitte mit Befestigungswerken gesichert werden.


Größere Kartenansicht

Vielleicht war das Gebiet für manche denkbaren Verteidigungsfälle doch zu groß, jedenfalls gab es innerhalb des gesicherten Gebietes eine weitere Umwallung, die sogenannte „Elsachstadt“. Die Wälle sollen etwa 130 v.Chr. entstanden sein. In der nach „Archäologie erleben“ 160 ha großen Elsachstadt fanden sich sowohl Siedlungsreste aus dieser spätkeltischen Zeit, als auch Reste einer unbefestigten, mehrere Jahrhunderte älteren keltischen Siedlung.

Das Oppidum Heidengraben liegt nahe Bad Urach und Metzingen und ist weniger als 20 Kilometer von der Ausfahrt der A 8 bei Kirchheim/Teck entfernt. Ich bin Anfang Juli an einem Sonntagnachmittag mit stetem Wechsel von Regen und einigen regenfreien Minuten von Bad Urach hochgefahren, auf dem Beifahrersitz neben dem Fotoapparat „Archäologie erleben“ und den Führer „Archäologische Denkmäler in Baden-Württemberg“.

Parkplatz am Wall der Elsachstadt

Für den vorgesehenen und vom Wetter nicht anders gewünschten Kurzbesuch erwies sich „Archäologie erleben“ passender, neben dem Museum Grabenstetten und den wiederaufgeschütteten Grabhügeln am Burrenhof habe ich den im Buch empfohlenen Parkplatz an der Straße Grabenstetten-Burrenhof am Wall der „Elsachstadt“ angesteuert.

„Archäologische Denkmäler in Baden-Württemberg“ empfiehlt dagegen einen Parkplatz vor Erkenbrechtsweiler und schickt den Leser von dort auf einen fast vier Seiten lang beschriebenen archäologischen Wanderweg mit 15 Stationen. Dieser etwas angejahrte Führer von 2002 gefällt mir eigentlich sehr gut und dürfte für den Wanderfreund mit genügend Zeit in diesem Fall die bessere Wahl sein. Wenn ich auch im Buch die Gesamtlänge der Tour nicht gefunden habe, die wird auf einer Schautafel für den archäologischen Wanderweg mit 27 Kilometern angegeben.

Museum Grabenstetten

Ein paar Links zum weiteren Erkunden der Gegend: die Website des Fördervereins Heidengraben e.V., diejenige der Uni Tübingen und die Info-Seite zum keltischen Heidengraben von Achim Lehmkuhl.

Donnerstag, 17. Dezember 2009

Archäologische Hotspots

Bei dieser Buchbesprechung habe ich ein schlechtes Gewissen - der Ausflugsführer liegt schon seit Beginn der Ausflugssaison bei mir herum und jetzt ist die Ausflugssaison vorbei. Aber das Buch ist immer noch aktuell und wenn es gefällt, dann kann man es als Idee für ein Last-Minute-Weihnachtsgeschenk nehmen und über den Winter auf die neue Saison freuen.

Titel: „Archäologie erleben. 50 Ausflüge in die Vergangenheit.“
Herausgeber: André Wais, Tina Steinhilber und Karoline Müller.
Konrad Theiss Verlag 2009, 190 S., ca. 150 farb. Abb.,
Preis 21,90 €, ISBN 978-3806222760

Erschienen ist „Archäologie erleben“ anläßlich des 25jährigen Jubiläums der Zeitschrift „Archäologie in Deutschland“ (AID). Zeitschrift, Autoren und Verlag sprechen für die Qualität und der Preis ist günstig. Es ist sogar mehr im Buch, als man von der Verpackung erwartet, denn bei über der Hälfte der 50 Ausflüge wird mehr als ein Ziel beschrieben. Oft Kombinationen von Museen und mehr oder weniger nahen im Freien zu besichtigenden Sehenswürdigkeiten.

Räumlich verteilen sich die Ziele über ganz Deutschland. Zeitlich liegt der Schwerpunkt zwischen Steinzeit und Antike. Pfahlbaumuseum Unteruhldingen, Lichtensteinhöhle, Kreisgrabenanlage Goseck, mehr als zehnmal Kelten und fast zwanzig Mal die Römer (wobei manche Ausflüge gleich mehrere Zeiten und Kulturen abdecken). Nach der Antike wird die Auswahl dünner: das Haithabu der Wikinger, das etwa zeitgleiche slawische Stammesheiligtum von Groß Raden, die Slavenburg Starigard (Oldenburg), die Bachritterburg Kanzach. Kaum auf seine Kosten kommt der mittelalterliche Steinburgenfreund: da finde ich gerade noch die Pfalz Karls des Großen in Paderborn und die Isenburg bei Hattingen.

Die Beschreibungen enthalten geschichtliche Hintergründe und touristische Hinweise. Viele stammen aus erster Hand, bspw. die zur Heuneburg von der dortigen Museumsleiterin und die der Keltenschanzen südlich von München von einem langjährigen Mitarbeiter des Denkmalamtes. Dennoch bleiben die zahlreichen Autoren im Buch sehr im Hintergrund. Auf Seite 188 findet sich eine tabellarische Übersicht mit Namen, akademischen Grad und vom Autor beschriebenen Ziel. Wenn ich mich richtig erinnere, dann geht aus der Autorenübersicht im gleichnamigen Vorgängerbuch zum 20jährigen AID-Jubiläum zusätzlich eine Zuordnung zur Institution hervor.

Das Vorgängerbuch war bis Anfang diesen Jahres im Buchhandel zu finden. Es ist von 2004, enthält 15 Seiten weniger, war drei Euro teurer, die Ziele scheinen mir nicht so gut über Deutschland verteilt zu sein wie im aktuellen Führer, sie liegen wie das schweizerische Augst auch mal ganz über der Grenze. Die Beschreibungen der Ziele sind in ihrer Länge uneinheitlicher als im neuen Buch. Manche sind sechs Seiten lang, andere kürzer und der Schlußteil enthält ganz kurz beschriebene Ziele.

Das neue Buch scheint mir hinsichtlich der Herstellung optimierter, die Ziele bekommen im Schnitt etwa zwei Seiten, zu einem Ausflug zusammengefaßte Doppel-/Mehrfachziele vier Seiten. Zu den Abweichungen bei einigen Zielen kommen dadurch auch Textabweichungen hinzu, bspw. ist der Text zur Heuneburg im neuen Buch deutlich gekürzt. Für einen niedrigen Preis würde ich das alte Buch zusätzlich antiquarisch erwerben, ansonsten stechen wohl die Überschneidungen und die nachlassende Aktualität.

Klar sollte sein, daß das Spannungsfeld aus einem mit vielen Zielen gut abgedeckten Deutschland in einem handlichen Buch zu einem günstigen Preis auch Nachteile mit sich zieht.

Wegen der zeitlichen und räumlichen Bandbreite erfährt man zwar noch viel über die Geschichte Deutschlands, die Texte sind aber in ihrem Zwei-Seiten-Raster inklusive Bildern recht kurz. Die Grenzwertigkeit fällt im Buch durch den Vergleich mit Kombinationen von Mehrfachzielen auf, wo sich ein Text bspw. zum archäologischen Fund auf drei Seiten noch ganz gut entwickeln kann und das zugehörige Museum entsprechend gekürzt wird.

An Karten wurde gespart. Unklar, ob es mehr das Platz- oder ein Aufwandsproblem war. Man stelle sich vor, über 50 Autoren melden ihre Kartenwünsche an.

Die kurzen Anreisebeschreibungen werden am Platzproblem liegen. Aufgefallen ist mir das sehr Auto-orientierte Schema beim Ausflug Aalen-Dalkingen mit dem Limesmuseum Aalen und dem Limespark Rainau. Nach meiner Erfahrung mit den Limes-Cicerones war für die Planung von Wanderungen gerade die gute im Buch unerwähnte Bahnverbindung der große Vorzug dieses Limesabschnitts verglichen mit der Strecke nach Norden durch den Schwäbisch-Fränkischen Wald. Und Aalen und dessen Limesmuseum sind sowieso sehr gut per Bahn zu erreichen.

Fazit meiner Rezension: trotz der geäußerten Kritik würde ich dem Buch angesichts der für den Preis gebotenen Qualität fünf Sterne geben und es zum Kauf empfehlen. Neben der Qualität auf dem Weg bis zum Druck sind die Autoren mein Hauptargument für diese Bewertung. Deshalb bleibt für mich unverständlich, weshalb die nicht besser positioniert wurden.

Mittwoch, 16. Dezember 2009

Herxheim

In diesen Tagen hat der Verdacht auf Kannibalismus die nahe Landau in der Pfalz liegende Gemeinde Herxheim bis in die internationalen Medien gebracht. Das überrascht, denn einerseits waren die archäologischen Grabungsergebnisse schon vorher ausgesprochen interessant und anderseits bleiben die Ereignisse 7000 Jahre weit von uns entfernt.

Was glauben diese Medien was uns interessiert? „Ausgrabung in der Pfalz - Die Menschenschlachter von Herxheim“ titelt bspw. Spiegel-Online.

Meinen Stand vor diesem Kannibalismus-Verdacht geben die SWR-Beiträge „Herxheim - Ein steinzeitlicher Kultort in der Pfalz“ und „Das Steinzeit-Dorf von Herxheim - Bauern, Viehzüchter und Händler“ sowie die Leseprobe aus „Bayerische Archäologie“ „Das Projekt Herxheim - Die Totengruben der zerstückelten Leichen“ wieder.

Danach interpretierte man die große Anzahl Knochen und zerbrochenen Gegenstände in Relation zu den geringen Siedlungsspuren so, daß es sich hier um einen überregionalen Kultort handeln mußte, in dem die Menschen ihre etwas bizarr behandelten Toten zusammen mit zerschlagener Keramik und Werkzeugen begruben.

Mit dem alten Stand im Kopf habe ich dieses Jahr alles für einen Tagesausflug nach Herxheim und das wenige Kilometer von Herxheim entfernte Rheinzabern vorbereitet, wenn bei einem meiner Aufenthalte im Raum Karlsruhe Zeit dafür bleibt, das hat aber bislang nicht geklappt. In Herxheim wäre dabei das „Museum Herxheim“, in Rheinzabern das „Terra Sigillata Museum Rheinzabern“ zu besichtigen.

Hoffentlich wird die sehr gute Website des DFG-Projekts „Siedlung und Grubenanlage Herxheim b. Landau“ weiter so gut gepflegt, dann kann man sich dort auch weiter über das Projekt und den Fortgang der Diskussion informieren (und jetzt schon mal bei den „Links zu Presseartikeln“ die unterschiedliche aktuelle mediale Aufbereitung vergleichen). Die ganze Gegend dort ist in jedem Fall eine erhöhte Aufmerksamkeit wert.